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Urheben I

Autor / Referent: Kurd Alsleben, Prof. fuer künstlerische Telematik / Computer an der HfbK, Hamburg

Die Datenkunst läuft darauf hinaus, daß Kunst im Netz Verkehr ist, Austausch. Für das Urheberrecht folgt daraus ein Dilemma:

In solcher Kunst...
 gibt es keinen Künstlerautor,
 gibt es kein Werk,
 gibt es keine Vervielfältigung,
 gibt es keine Öffentlichkeit.

Einleitung

Ich komme von der interdisziplinären Computerei der Hochschule für bildende Künste (HfbK), Hamburg. Unser dortiges Umfeld ist ein, unter den datenkünstlerischen Initiativen lose abgesprochenes, "Virtuelles Medienzentrum Hamburg, virtuHHM", das sind: Chaos Computer Club, European MuseumsNetwork, Freies Telekommunikationszentrum, Interdisziplinäre Computerei, KuekoCokue, Music Media Lab, Ponton European Media Art Lab, Connect - Virtuelle Europäische Kunsthochschule.

Datenkunst ist ein vom CCC her gut bekannter Begriff. Der Computernetzverkehr wurde international Anfang 1980 künstlerisch aufgegriffen. Auf wenige punktuelle telematische Ereignisse folgten ab 1980 kommunikative künstlerische Datenverkehre. Einige Namen mögen das hier veranschaulichen: Rober Adrian / ARTEX (A), Roy Ascott (GB), Bill Bartlett (C), Bruce Breland / DAX (USA), Wau Holland / CCC (D), Matthias Lehnhardt (D), Carl Loeffler / ACEN (USA), einflußreich sind Peter Glasers "Jugoslawisches Tagebuch", Achim Lipps "Europäisches Museumsnetzwerk", Detlev Fischers "Schwamm" und "Poolprocessing" von Heiko Idensen und Mathias Krohn. Pontons große "Piazza virtuale" ist das Bestreben, die dialogischen Ideen mit einem Massenmedium zu verbinden.

Ausführung

Ein Autor ist ein Sender. Beim Austausch dagegen möchte jeder vom Anderen was erfahren, etwas empfangen. Es gibt einen Übergangsbereich, das sind Partizipationskunst, Happening, Aktionskunst und elektronisch-interaktive Kunst. In diesen Kunstrichtungen geht es nicht um Austausch, sondern darum, seitens des Autoren Spielraum zu offerieren. Mit Austausch nicht zu verwechseln ist Koproduktion eines Werkes durch Koautoren.

Austausche, Verkehre sind Vorgänge. Auch ein Werk kann ja Vorgang sein (z.B. Film). Der Unterschied zwischen Werk und Verkehr liegt vielmehr darin, daß zum Begriffsinhalt von Werk Publikum gehört, zum Austausch gehört kein Publikum.

Ein kommunikativer Austausch ist nicht wiederholbar, sondern nur fortsetzbar, anders als etwa ein Schauspiel, das wiederholt aufgeführt wird. Vervielfältigbar sind Rückstände von Austauschen wie Dateien, Videobänder, Mitschnitte u.s.w., ebenso Abbildungen und Berichte, die aber eigene Werke sind. Trotz allem liegt in der geschilderten Kunst, die wir gerne telematische ars sermonis nennen, auch die Intention der Verbreitung.

Der künstlerische multisensorielle Kommunikationsaustausch, den wir erfahren und intendieren, geschieht nicht öffentlich, sondern in einem offiziösen Raum. Diese Offiziosität bildet einen Übergangsbereich zwischen intimen Dialog und Öffentlichkeit, in die sie hineinzustrahlen trachtet. Die Form des Trachtens ist uns unklar.

Austausch ist als schöne Kunst in der Geschichte gut bekannt: Ars sermonis ist die Gesprächskunst der Antike; in Barock und Rokoko ist es die einflußreiche Konversationskunst der Salons, deren gestaltendes Medium Sprache war. Das elektronische Medium ist gesamtsensorisch und interaktiv (Mensch/Mensch im Netz).

Anhang

Alsleben: Ästhetische Redundanz, Quickborn, 1962.Ders.: Diskettentypografie. Hypertext, Griffelkunst, HH, 1988.

Ders.: Diskettentypografie. Hypertext, Griffelkunst, HH, 1988.

De Courten: Erste Erfahrungen mit der Kiste. HbK HH, 1993.

Dufke: Ulysses. Hypertext. HbK HH, 1991.

Eske (Hrsg.): KuekoCokue. HbK HH, 1989ff.

Eske/Nissen: Soliparts mit chorischen Anteilen. Uni Lueneburg, 1993.

Fischer: Schwamm. Hypertext. HbK HH, 1989.

Ders.: HyperCard Correspondence. DTP, Coventry, 1991.

Justen: Formulieren in Hypertext. HbK HH, 1992.

Kaitinnis: Vervielfältigung. Hypertext. HbK HH, 1992.

Lehnhardt/Amman: Die Hacker sind unter uns. München1985.

Lehnhardt et al.: Aha! im netz Aha!, Mediale 93. HbK HH, 1993.

Lehnhardt: Rückkopplung durch Produktion, FUni Hagen, 1975.

Ders.: Künstlerische Telematik. Software HbK HH, 1992.

Lettkemann: Tastendes Forumulieren beim Korrespondieren mediens Hypertext. Hypertext. HbK HH, 1992.

 

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